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Das ewige Pandemie-Mantra Kostenpflichtige Tests sind der falsche Weg

Die sogenannten Bürgertests sollten kostenlos bleiben.

Die sogenannten Bürgertests sollten kostenlos bleiben.

(Foto: dpa)

Das Impftempo nimmt ab, eine Herdenimmunität wird immer unwahrscheinlicher. Die Politik reagiert, indem sie für Bürgertests Geld verlangen will. Doch das wirft mehrere Probleme auf.

Testen, testen, testen. Impfen, impfen, impfen. Es sind diese beiden Mantras, die die Pandemie bestimmen. Durch möglichst viele Tests können Infizierte erkannt und eine Weiterverbreitung des Coronavirus verhindert werden. Impfungen schützen Menschen - mindestens vor schweren Verläufen, im besten Fall wird mit ihnen eine Herdenimmunität erreicht, die die Pandemie zum Erliegen bringt.

Die Impfkampagne läuft allerdings nicht so wie erwartet, das Impftempo nimmt stetig ab. Zwar ist inzwischen mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland vollständig geimpft, doch das reicht bei weitem nicht, um die Pandemie einzudämmen. Und je länger sich diese hinzieht, desto größer wird die Gefahr neuer Varianten, die den jetzigen Impfschutz umgehen können.

Während das Impf-Mantra also stottert, legt die Politik nun auch noch die Axt an das Test-Mantra: Bisher kostenlose Schnelltests sollen, von wenigen Ausnahmen abgesehen, abgeschafft werden. Doch das ist der völlig falsche Weg. Tests und Impfungen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Tests sind kein Selbstzweck

Richtig und wichtig ist es, nach Wegen zu suchen, mehr Menschen zum Impfen zu bringen. Im Gespräch sind Anreize, die bisher aber zu zaghaft gegeben werden - tagelang wurde über Bratwürste gesprochen. Die Politik muss unbedingt mehr tun, um Impfungen zu den Menschen zu bringen. Der Erfolg entsprechender Aktionen spricht für sich. Logisch ist auch das Vorhaben, Getestete nicht mehr mit Geimpften und Genesenen auf eine Stufe zu stellen - aus 3G sollte 2G werden. Denn nur diese beiden Gruppen dienen dem eigentlichen Ziel, die Pandemie einzudämmen. Testergebnisse dagegen sind nur kurzfristig gültige Wasserstandsmeldungen.

Dennoch ist es kontraproduktiv, die bisher kostenlosen Tests abzuschaffen, ausgerechnet im Herbstmonat Oktober, zu dem schniefende Nasen und Hustenreiz gehören wie fallende Blätter. Der Gedanke dahinter: Wer zum Shopping oder Frisörbesuch einen Test benötigt und dafür zahlen muss, lässt sich vielleicht eher von den Vorteilen einer Impfung - und damit der Befreiung von der Testpflicht - überzeugen. Und die Gemeinschaft soll nicht mehr für diejenigen blechen müssen, die sich auch impfen lassen könnten.

Doch das wirft gleich mehrere Probleme auf. Das erste: Tests lediglich als eine Art Eintrittskarte für Geschäfte oder Veranstaltungen zu betrachten. Sie sind aber kein Selbstzweck. Eingeführt wurden sie auch, um Hinweise auf symptomfreie Infektionen zu liefern und damit Virusausbrüche zu verhindern. Manch einer lässt sich regelmäßig testen, um sicherzugehen, nicht infiziert zu sein, egal ob geimpft oder nicht. Diese Möglichkeit würde dann wegfallen.

Und wird sich jemand, der einer Impfung skeptisch gegenübersteht oder dem deren Planung zu kompliziert und zeitaufwändig ist, von dieser Maßnahme tatsächlich überzeugen lassen - oder doch lieber auf den Restaurantbesuch verzichten und die Party im privaten Rahmen bevorzugen? Möglichst niedrigschwellige Impfangebote und bessere Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen wären wesentlich zielführender.

Wie ansteckend sind Geimpfte?

Das zweite Problem: Geimpfte können sich auch nicht mehr kostenlos testen lassen. Das Angebot soll nur noch für Menschen gelten, die sich aus verschiedenen Gründen nicht impfen lassen können, und für jene, für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt: Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sowie Schwangere. Geimpfte dagegen müssten zahlen - der schnelle Test bei ersten Symptomen fiele dann aus, ausgerechnet im verschnupften Herbst. Zwar wurde bisher davon ausgegangen, dass Geimpfte wesentlich weniger ansteckend sind und daher keine Gefahr mehr darstellen. Doch neuere Studien zu Impfdurchbrüchen mit der Delta-Variante zweifeln diese These an - auch wenn es hier für endgültige Aussagen noch zu früh ist.

Hinzu kommt aber noch ein ganz praktisches Problem: Dass die Test-Infrastruktur einfach so weiterbestehen wird. Weil kostenpflichtige Tests seltener in Anspruch genommen werden, dürften etliche Teststellen schließen, weil sie sich schlicht nicht mehr rechnen. Das mag in Großstädten noch angehen, wo das ein oder andere Testzentrum überleben wird. In Kleinstädten oder in ländlichen Regionen jedoch wird die Test-Infrastruktur stark ausgedünnt werden. Pech gehabt haben dann Menschen, die auf Tests angewiesen sind, sich aber nicht impfen lassen dürfen oder für die es keine Impfempfehlung gibt.

Testen, testen, testen. Impfen, impfen, impfen. Die beiden Pandemie-Mantras sind trotz niedriger Inzidenz wichtig. Sie sollten aber nicht gegeneinander ausgespielt werden. Um das Impf-Mantra durchzusetzen, sind kostenpflichtige Tests denkbar ungeeignet.

Quelle: ntv.de

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